Wolfstar OS: Ich bin immer für dich da
Remus saß gemütlich mit einer Decke und einem warmen Kakao auf dem größten Sessel des Gemeinschaftsraums. Draußen war es schon dunkel, und sachte hüllte weißer Schnee die Landschaft ein.
Es war der erste Tag der Weihnachtsferien, und abgesehen von ein Paar vereinzelten Schülern aus der dritten Klasse war der junge Werwolf der einzige, der in Hogwarts geblieben war. Nicht, dass er nicht gerne nach hause gefahren wäre. Nein, er konnte es einfach nicht ertragen, über Vollmond eine potentielle Gefahr für seine Familie darzustellen. Außerdem fiel Vollmond dieses Jahr zufällig genau auf den 24. December. Er wollte einfach keine Last sein.
„Tolles Weihnachtsgeschenk", murmelte Remus verzweifelt vor sich hin, nahm einen Schluck von seinem mittlerweile fast kaltem Kakao, und kuschelte sich tiefer in die rote Flauschdecke. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen, und ließ seine Gedanken kreisen.
Unwillkürlich musste er an seine Freunde denken. An Prongs, der zusammen mit Lilly bei seinen Eltern war. Als er an die beiden Turteltäubchen dachte, musste er lächeln. Noch vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen, und teilweise hallten Lillys endlos langen Beschwerden über James' klägliche „Annäherungsversuche" noch in seinem Kopf nach.
An Peter, der auch bei seiner Familie war. „Ach Peter...", murmelte Remus. Wormtail tat ihm momentan besonders leid, denn er hatte in letzter Zeit sehr mit Mobbing, größtenteils von Seiten der Slytherins, zu kämpfen. Zwar standen die Rumtreiber immer hinter ihm, und das wusste er auch. Dennoch nagten die Selbtzweifel an dem kleinsten der Vier, was wiederum dazu führte, dass er sich immer mehr distanzierte und niemanden wirklich an sich ranlies. Sogar beim letzten Vollmond war nirgends eine Ratte zu sehen.
Und dann dachte er an Sirius. Sirius, Siri, Paddy, Pads, Padfoo -
Nein warte- Nicht an Sirius denken! Nicht an Sirius denken! Nicht. An. Sirius. Denken.
Das Gesicht des Hundeanimagus' tauchte trotzdem vor Remus' innerem Auge auf. Bitter lachte er auf.
Anfang der fünften Klasse hatte Remus gemerkt, dass mit ihm etwas nicht stimmte, und dabei meinte er definitiv nicht sein pelziges kleines Problemchen. Denn wann auch immer Sirius ihn umarmte, oder berührte, wann auch immer Sirius in seiner Nähe war, oder etwas sagte, fing Remus' Herz an, schneller zu schlagen, und ein kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus.
Lange, sehr, sehr lange hatte er diese Gefühle verleugnen und verstecken wollen, nicht nur vor Sirius und den anderen, sondern vor allem vor sich selbst.Jedoch wurden irgendwann seine Gefühle, seine Liebe, einfach zu stark und begruben den armen Remus förmlich unter sich.
Es schmerzte, denn er war sich zu hundert Prozent sicher, dass diese Liebe einseitig war. Wieso sollte Sirius ihn auch lieben? Als Remus nochmal nachdachte, fiel ihm wirklich kein einziger Grund ein. Abgesehen davon, dass er ein Junge war und zudem noch nicht mal gut aussah, war er auch ein Monster. Und wer zur Hölle könnte schon ein Monster lieben?
Sirius... Wo er jetzt gerade wohl war?
Obwohl alle ihm davon abrieten, sogar seine Eltern, war Sirius über die Weihnachtsferien zu seiner Familie gefahren. Der Grund: „Ich möchte Regulus nicht mit den Verrückten alleinlassen". Ansonsten wäre Sirius natürlich über Vollmond bei Remus geblieben.
An Weihnachten würde die Verwandlung schmerzhaft werden.
Mit dem Gedanken, alleine in der kalten und dunklen heulenden Hütte zu liegen, ohne den Hund, den Hirsch und die Ratte, (wobei Moony eigentlich hauptsächlich den Hund wahrnahm) schlief Remus ein, und träumte, wie sollte es anders sein, von Sirius. Na, "Nicht an Sirius denken" hat ja wirklich super geklappt.
Als Remus am nächsten Morgen aufwachte, war das erste, was ihm auffiel, dass er in seinem Bett lag. Obwohl er ja gestern unten auf dem Sessel eingeschlafen war. Das zweite was ihm auffiel, waren schwarze Locken in seinem Gesicht, lautes Schnarchen und zwei starke Arme, die ihn umschlungen hielten. Dann stieg ihm Sirius' unverkennbarer Geruch in die Nase, und er schreckte auf.
Er sprang vom Bett, denn er hatte sich wirklich erschrocken. Sein Schrei weckte zwar mit großer Wahrscheinlichkeit ganz Hogwarts auf, Sirius schnarchte trotzdem seelenruhig weiter, und lies sich keineswegs stören. Diese Ruhe seinerseits sollte aber nicht von langer Dauer sein.
Der Werwolf sprang mit voller Wucht aufs Bett, sodass er Sirius unter sich begrub.
„Da freut sich jemand, mich zu sehen", wurde Remus' Aktion kommentiert.
„Was machst du denn hier??"
Remus war gänzlich verwirrt.
„Als ob ich dich bei Vollmond allein lassen würde, Remi.", lächelte Sirius und zog den Werwolf neben sich in die weichen Kissen.
Kurz trafen sich die Blicke der beiden, und einige Herzschläge vergingen, bis Remus rot anlief und beschämt zur Seite sah.
„Als ob Sirius wirklich nur wegen mir zurückgekommen ist...", dachte sich Remus traurig, und fasste wieder genug Mut, seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Insgeheim kannte er doch den Grund.
„Deine Eltern haben dich rausgeworfen, oder?", fragte er bedrückt, und legte seine Hand auf Sirius' Arm.
„Haben sie, aber du Remiiiiii?", machte Sirius, setzte seinen Hundeblick auf und legte seine Hand ebenfalls auf Remus' linke Schulter, weil er genau wusste, dass ihm die rechte Schulter bei kaltem Wetter wehtat, und heute, wusste er auch, wurden es nur -4 grad.
„Hm?"
„Ich bin wirklich wegen Vollmond hergekommen. Ich hätte auch einfach zu James fahren können."
So hatte Remus noch gar nicht darüber nachgedacht, und sein Herz begann schneller zu schlagen. Sirius war für ihn alleine nach Hogwarts gekommen! Was wäre denn wenn doch ein keines bisschen Hoffnung bestehen würde, dass...
Ach was für ein Quatsch, er dachte bloß schon wieder zu viel nach. Bei Merlins Bart, das hätte Sirius bestimmt auch für James, und sogar für Peter gemacht. Für was sind Freunde denn da? Remus machte sich eindeutig zu viele Gedanken, wo keine Gedanken sein sollten. Die Jungs verharrten noch einen Augenblick, dann räusperte sich Remus, wandte sich ab und verkündete, dass er jetzt ins Bad ginge. Er schaute nicht zu Sirius, und bemerkte nicht, wie dieser ihm traurig nachsah.
Nach einem ausgiebigen Frühstück beschlossen die beiden, in die Eulerei zu gehen. Sirius hatte in der Zeit, die Remus heute morgen im Bad verbracht hatte, einen Brief an James geschrieben, wo er erklärte was passiert war.
Als die beiden die vereiste Treppe hochliefen, rutschte Remus versehentlich aus, und wäre fast die komplette Treppe heruntergefallen, hätte ihn Sirius, der schräg hinter ihm lief, nicht rechtzeitig aufgefangen.
Nun hielt Sirius Remus in den Armen, und wie schon heute morgen trafen ihre Blicke sich.
Diese Augen. Remus könnte sich stundenlang in ihnen verlieren. Nach ein par Herzschlägen begriff er jedoch die Situation, lief abermals rot an und murmelte ein leises „Danke, Pads", bevor er anfing, nun seinen Blick starr auf die Stufen gerichtet, weiter zu gehen.
Den Rest des Tages verbrachten die beiden in der Bibliothek und unten am See. Obwohl sowohl Remus als auch Sirius emotional aufgewühlt waren, gingen sie normal miteinander um. Wenn die beiden zusammen waren, lachten und einfach nur glücklich waren, lies das die beiden ihre ganzen Probleme fast vergessen. Fast. Denn in jeder einzelnen Sekunde fragten sich insgeheim beide, was passieren würde, wenn sie den anderen einfach küssen würden. Nur um danach den Gedanken schnell zu verwerfen und dann traurig die unberechtigten Gefühle zu überspielen und zu vergessen.
Als es dann Abend wurde, ging Remus nach dem Abendessen schnurstracks in seinen Schlafsaal. Der Tag war für ihn anstrengend gewesen, und er war hundemüde.
Er hatte eigentlich erwartet, dass er in dem Moment wo seine hellbraunen Locken das Kopfkissen berührten einschlief. Dem war aber ganz und gar nicht so. Sein Kopf arbeitete noch auf Hochtouren, und lies ihn den Tag Revue passieren. Es war wirklich schön heute, mit Sirius. Allein bei dem Gedanken an ihn fing Remus' Herz wieder an, schneller zu klopfen.
Wenn er nur mit ihm allein war, war alles anders. Er konnte nicht beschreiben, was so anders war, aber er fühlte sich freier. Als wären sie die einzigen Menschen auf dieser Welt, und als würden ihnen alle Türen offen stehen.
Und im nächsten Augenblick traf ihn wieder die Realität.
Er war ein Werwolf.
Er war ein Monster.
Er würde nach Hogwarts arbeitslos sein, ohne Geld, ohne Haus, ohne alles.
Ohne Zukunft.
Und er war ein Mann!
Sirius hatte keinen Grund ihn zu lieben, keinen einzigen. Sirius war einfach nur sein bester Freund. Nicht mehr, nicht weniger.
Mit diesen, doch sehr negativen Gedanken, schlief er dann doch ein.
Zur gleichen Zeit stand Sirius noch einmal in der Eulerei, um zu schauen, ob James ihm geantwortet hat.
„Fuuuuck, ist da kalt...", murrte der junge Black mit klappernden Zähnen, während er nach James' Eule Helga Ausschau hielt. Doch ehe er die Schneeeule seines Bruders entdecken konnte, fiel ihm eine andere Eule auf. Eine große, schwarze Eulendame, die original den gleichen abwertenden Blick drauf hatte, wie seine biologische Mutter.
Er nahm den Brief zögerlich aus ihren Krallen. Sirius hoffte, dass es ein Brief von Regulus war, und lief, nachdem er festgestellt hatte, dass Helga nicht hier war, mit guter Laune in den Schlafsaal.
Sirius mochte es nie wirklich zugeben, aber viel bedeutete ihm sein Bruder Regulus wirklich, und war glücklich, dass wenigstens er noch mit ihm redete. Öffnen wollte er den Brief aber zusammen mit Remus. Verdammt, er liebte den Kerl!
Sirius stockte. Hatte er sich wirklich in den kleinen Werwolf verliebt? Ein Gedanke an Remus reichte aus, und er wusste die Antwort. Sirius hatte gerade echt scheißgute Laune. Daher Polterte er die Holztreppen hoch und öffnete überschwänglich und LAUT die Tür, die danach LAUT ins Schloss fiel.
Remus schaute Sirius verschlafen und irritiert an. Allein um diesen Blick zu sehen hätte Sirius gerade töten können.
„Moony", quietschte er und lies sich einfach auf Remus fallen.
„Uaaah, Sirius! Was wird das???"
Remus war perplex. Er war noch im Halbschlaf, und hatte Sirius, der auf ihm gelandet war, noch nicht ganz realisiert.
„Regulus hat mir geschrieben."
Sirius wendete sich Remus zu, der große Augen machte. Das war wirklich was besonderes. Er lehnte den Kopf auf Sirius' Schulter, denn er war müde.
Währen Sirius begann, mit seiner einen Hand an Remus' Haaren zu spielen, öffnete er mit seiner anderen Hand den Brief. Um ihn rauszuziehen brauchte er dann doch beide Hände, weshalb er Remus loslies, und dieser deshalb unabsichtlich nicht mehr mitlesen konnte.
Erwartungsvoll schaute Remus Sirius an, und es vergingen einzige Herzschläge, in denen Sirius Augen tausende Worte sprachen.
Wut, Verzweiflung, pure Trauer... Sirius zerfetzte den Brief in kleine Einzelteile, wutentbrannt.
Remus stand unter Schock. So hatte er Sirius noch nie erlebt, und er hatte Angst vor dem Jungen den er doch so liebte.
Sirius war auf dem Bett zusammengebrochen, und lag dort zitternd.
Der Werwolf war mittlerweile aus seiner Schockstarre erwacht, und kletterte langsam und bedacht zu Sirius. Beim Näherkommen erkannte er, dass Sirius stumme Tränen die Wangen herunterliefen. Remus legte sich neben Sirius und schlang die Arme um ihn. Dann vergrub er den Kopf in seiner Halsbeuge, in der Hoffnung er könne Sirius beruhigen.
„Sie haben ihn Remi...", flüsterte er mit zitternder Stimme, „Er ist einer von ihnen..."
Remus verstand sofort.
„Ich bin immer für dich da, Pads.", flüsterte Remus, und versuchte ein lächeln zustande zu bringen. Vorsichtig streckte er seine Hand nach Sirius' Gesicht aus, und schob ihm eine Haarsträne aus dem Gesicht. Sirius schaute ihm in die Augen.
Die Wut von eben war komplett vergessen. Sirius wunderte sich insgeheim, wie sein kleiner Werwolf ihn so schnell beruhigen konnte. Und als er den Kopf hob, war da in Remus' Augen nichts als grenzenlose Liebe. Sirius legte seine Hand, nun wieder schwach lächelnd, auf die von Remus.
Und da konnten sie sich beide nicht mehr zurückhalten. Binnen der nächsten Millisekunden lagen die Lippen der beiden aufeinander. Es war ein Kuss voller Emotionen, und als sie sich lösten hatten sie beide Tränen in den Augen.